Zum bundesweiten Aktionstag Suchtberatung: Drei Menschen berichten über ihre Suchtprobleme:Der erste Schritt in ein Leben ohne Drogen
„Michael“ – Ein lebenslanger Kampf gegen den Alkohol: Michael, 62 Jahre alt, aus Südlohn, entschied sich 2006 – „mit einem gewissen Druck von außen“ – aber doch auch aus eigenem Antrieb, die Suchtberatungsstelle in Anspruch zu nehmen. Bis dahin waren zwei Flaschen Korn oder Wodka pro Woche für ihn normal. Auch wenn er in der Öffentlichkeit und bei Festivitäten wie Schützenfesten und Karnevalsveranstaltungen ein relativ normales Trinkverhalten zeigte – „Ich habe gemerkt, dass ich ein Alkoholproblem habe und es alleine nicht in den Griff bekomme.“
Elf Jahre war Michael dann abstinent. 2017 erlitt er einen Rückfall. „Nicht sofort extrem, aber der Konsum steigerte sich doch langsam.“ Ein Anruf bei der Suchtberatung des Caritasverbandes Ahaus-Vreden war schließlich der entscheidende Schritt, um erneut Hilfe zu suchen. Heute besucht er regelmäßig die Selbsthilfegruppe und ermutigt andere, offen mit der Erkrankung umzugehen.
„Andreas“ – Schweigen und das Verlangen nach Zugehörigkeit: Andreas, 65 Jahre alt, aus Gronau, beschreibt eine Jugend, geprägt vom familiären Schweigen. „Ich hatte eine schöne Kindheit, keine Frage. Aber wenn ich meine Eltern nach deren Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg fragte, dann kam da nichts.“ Als Jugendlicher suchte er Anschluss in einer Clique. „Aber ich bin ziemlich introvertiert. Small Talk ist nicht mein Ding.“ Andreas hätte gerne studiert – doch dafür war kein Geld da. Er absolvierte eine Ausbildung, kam beruflich später in eine verantwortungsvolle Position. „Vielleicht war die Aufgabe für mich zu groß.“
Angstzustände traten auf, der Alkoholkonsum nahm zu. Mit Mitte 30 gab er den Job auf, ein Aufenthalt im Landeskrankenhaus folgte. Danach war er 18 Jahre lang trocken. 2016 dann der Rückfall in die Abhängigkeit, bei einem Fest trank Andreas eine Flasche Bier. „Da war es vorbei.“ Die nüchternen Phasen wurden kürzer, ein versuchter Suizid folgte. 2019 nahm er Kontakt zu der Suchtberatungsstelle auf und machte dort eine ambulante Therapie. Seit 2020 besucht Andreas die Selbsthilfegruppe des Caritasverbandes und hat eine neue Perspektive auf sein Leben gewonnen.
„Anna“ – Der Weg aus der Doppelsucht: Anna, 61 Jahre alt, aus Legden, bekam ihre erste Unterstützung durch die Suchtberatung nach einem Eingreifen ihrer Familie. „Mein Mann und meine Schwester hatten mich wegen meines nicht mehr normalen Alkoholkonsums zur Seite genommen.“ Eine ambulante Reha brachte zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Anna trank zwar nicht mehr in der Öffentlichkeit, dafür aber heimlich. Vor allem beruflicher Stress ließen sie nach Feierabend zum Alkohol greifen. Eine Tablettensucht kam hinzu. Ein weiterer Entzug gelang –zunächst – doch die Tablettensucht und extreme depressive Phasen führten sie wieder in die Abhängigkeit zurück und gipfelten in zwei Suizidversuchen.
Nach einer Langzeittherapie hat Anna ihren Weg mit Unterstützung der Suchtberatungsstelle in die Gemeinschaft der Caritas-Selbsthilfegruppe gefunden und betont, wie wichtig es ist, diese Hilfe direkt in Anspruch nehmen zu können. „Caritas ist die Anlaufstelle, die man braucht, wenn man sucht.“
Suchtberatungsstellen bieten vor Ort eine unverzichtbare Hilfe für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen und ihre Angehörigen. Helena Schuhmacher ist Leiterin der Suchthilfe des Caritasverbandes Ahaus-Vreden. „Es wäre wünschenswert, Menschen schon viel früher zu erreichen“, sagt sie. „Nicht erst in der Abhängigkeit oder wenn sich der Missbrauch schon abzeichnet.“ Neben der Unterstützung suchtkranker Menschen und ihrer Angehörigen sieht Helena Schuhmacher die Notwendigkeit, aufmerksam und zeitnah auf neue gesellschaftliche Strömungen zu reagieren. Beispielsweise sei es wichtig, Themen wie neue Konsummuster, exzessive Mediennutzung und die Digitalisierung verstärkt in den Blick zu nehmen.
Zusatzinfo: Die Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes Ahaus-Vreden umfasst als Einzugsgebiet den Norden des Kreises Borken (Ahaus, Heek, Legden, Schöppingen, Gescher, Stadtlohn, Vreden, Südlohn). Kontakt: Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes Ahaus-Vreden, Haus der Beratung, Wüllener Straße 80, 48683 Ahaus, Tel. 02561/4291-40, E-Mail: suchtberatung@caritas-ahaus-vreden.de
Die Ambulante Rehabilitation Abhängigkeitskranker (ARS) kommt zum Einsatz bei einer Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder illegalen Drogen sowie bei pathologischem Glücksspielverhalten. Die Behandlung findet in Form von Gruppen- und Einzelgesprächen statt. Die therapeutischen Gruppen bestehen aus sechs bis zwölf Teilnehmenden.