Senioren bekommen regelmäßig tierischen Besuch:Eseldame „Bella“: Herzöffner im Henricus-Stift


Kurz vor 15 Uhr an einem Dienstag. Die 23 Jahre alte Bella hat sich ihr Blumenhalfter anlegen lassen und wird von Wibke Steverding aus dem Anhänger geführt. „Ich muss sie erst mal abstauben“, sagt Steverding über Bella, die vor ihrem Besuch noch auf einer Wiese und im offenen Stall war. Knapp 20 Senioren sitzen derweil schon im Café Porthook im Henricus-Stift und warten auf die tierische Ankunft.
Dann geht die Tür auf und Bella – die Spezialschuhe trägt, damit sie nicht ausrutscht – flutet den Raum mit Herzlichkeit. „Sie ist ein Herzöffner und ein Stimmungsaufheller“, sagt Wibke Steverding. Tiere regen zu Unterhaltungen an. Bella gelingt das spielend. „Bella, Bella, Bella Marie“ wird leise gesungen. Die Zeile aus dem Lied Capri-Fischer erklingt an diesem Nachmittag noch des Öfteren. „Bella hat es gerne, an ihren langen Ohren gekrault zu werden“, sagt Wibke Steverding. Die Eselin macht eine Runde im Stuhlkreis, wird mal hier gestreichelt, mal dort berührt. Ihr Fell ist weich und kuschelig – und Bella geduldig. „Sehr geduldig“, erklärt Steverding. „Und nervenstark. Sie lässt sich nicht treiben und nicht aus der Ruhe bringen.“ Das mag daran liegen, dass Bella bei „Eselgedöns“ die (tierische) Chefin ist. „Sie hat ihre Jungs im Griff“, erklärt Wibke Steverding Bellas Verhältnis zu den drei Eselwallachen.
Auf den ersten Blick passiert gar nicht viel zwischen Bella und den Bewohnern der Einrichtung des Caritasverbandes Ahaus-Vreden. Doch der erste Eindruck täuscht. Vieles geschieht auf einer nicht sichtbaren Ebene, Bella spricht Gefühle an, weckt Erinnerungen, wie an das Capri-Fischer-Lied. Warum Esel so gemocht werden, dafür hat Wibke Steverding eine Erklärung: „Sie strahlen Ruhe und Sanftmut aus. Esel sind wie sie sind. Sie stehen für sich selbst ein. Bella macht das hier nicht, um mir einen Gefallen zu tun.“ Wenn es der Eselin zu viel wird, dann geht sie.
Gut eine Stunde bleibt Bella im Café, die Bewohnerrunde erfährt, dass die Eselin 35 bis 40 Jahr alt werden kann, dass sie gerne isst – vor allem Brombeeren – sich aber nicht ganz so gerne bewegt, und dass bei „Eselgedöns“ ziemlich viel Wolle liegt. „So viel, dass wir uns daraus einen neuen Esel stricken könnten“, sagt Wibke Steverding lachend.
Den Kontakt zu „Eselgedöns“ knüpfte für das Henricus-Stift übrigens dessen Leiter Sebastian Stödtke Ende 2022. Seit Anfang dieses Jahres besucht Bella alle vier Wochen die Einrichtung. Größere Gruppen trifft sie im Café, manche Bewohner besucht sie in den Wohnbereichen. Dorthin geht es auch per Aufzug. „Das Aufzugfahren haben wir geübt“, berichtet Wibke Steverding. Gewöhnungssache. Gleichwohl bleibt Bella im Henricus-Stift eine Besonderheit. „Einen Esel hat man ja nicht jeden Tag im Haus.“ Noch seltener einen Esel, der einem aus dem Aufzug entgegenkommt.
Bewohner und Angehörige sprechen nach dem Besuch von Bella noch Tage später darüber. Die Frage „Wann kommt der Esel wieder?“ hört Sebastian Stödtke mehrmals im Monat. „Bellas Anwesenheit entschleunigt für eine gewisse Zeit“, schildert der Einrichtungsleiter seinen Eindruck. „Mal ehrlich, das können wir alle doch ab und zu gut gebrauchen.“