Inhaltliche Delegiertenversammlung:Kirche und Caritas: Miteinander statt nebeneinander


Der Caritasverband für die Diözese Münster (DiCV) ist der Dachverband der katholischen Wohlfahrtspflege im Bistum Münster. Dominique Hopfenzitz ist einer von drei Vorständen des DiCV. In den mehr als 2600 sozialen Einrichtungen und Diensten sind rund 80.000 Menschen tätig. „Das Spektrum reicht von Beratungsstellen, Krankenhäusern, Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen, Altenheimen bis hin zu Ambulanten Pflegediensten“, nannte Peter Schwack, Vorstand des Caritasverbandes Ahaus-Vreden, beeindruckende Zahlen und informierte über den Werdegang des Redners.
Klare Worte
Dominique Hopfenzitz, Jurist mit beruflichen Wurzeln im Bistum, fand bei seinem Vortrag klare Worte. Ihm sei es ein zentrales Anliegen, die Zusammenarbeit innerhalb der Kirche und der Caritas zu stärken – auf allen Ebenen, vom Ort über das Bistum bis hin zur Bundesebene. Zu oft, so seine Erfahrungen, würden kirchliche Einrichtungen nebeneinander arbeiten. Um als Kirche glaubwürdig zu bleiben, sei es wichtig, Kräfte zu bündeln. Die Caritas im Bistum sei breit aufgestellt, die Anzahl stationärer Altenhilfeeinrichtungen beeindruckend. Doch trotz bestehender Strukturen mangele es oft an Kooperation. Vieles entstehe, wenn Menschen sich persönlich kennen – nicht durch Verwaltungsabläufe allein. Deshalb brauche es Strukturen, die Beziehung ermöglichen, nicht verhindern. „Gemeinsam handeln statt nur gemeinsam reden“, appellierte Hopfenzitz an die Zuhörer. „Doch oft erleben wir, dass jeder für sich arbeitet.“
Möglichkeiten
Der neue Koalitionsvertrag beschwöre den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagte der Diözesancaritasdirektor. „Ich sehe das als große Chance für uns als Caritas und Kirche, unsere gesellschaftliche Verantwortung noch stärker wahrzunehmen.“ Die Caritas sei Brückenbauer in Zeiten der Polarisierung. „Wir bekommen viel Zuspruch, egal ob wir für Migration eintreten, für Demokratie oder für die Schwächsten der Schwächsten.“ Die Diözesancaritasverbände in NRW würden intensiv kooperieren. Eine Zusammenarbeit der Bistümer sehe er nicht. „Warum bleiben kirchliche und karitative Akteure so oft solitär, statt Ressourcen zu bündeln?“
Dominique Hopfenzitz zeigte auf, was alles möglich wäre: „Gemeinsame Personal- und Fortbildungsstrategien statt Insellösungen. Kirchliche Liegenschaften, die nicht überwiegend leer stehen, sondern für soziale Begegnungen genutzt oder auch bebaut werden für Menschen, für unsere Mitarbeitenden, abgestimmte Positionierungen und gemeinsame Projekte zu Themen wie Demokratie, soziale Gerechtigkeit oder Einsamkeit.“ Jesus habe vorgelebt, was es bedeute, an den Rändern der Gesellschaft präsent zu sein. „Er suchte die Menschen dort auf, wo sie leben, arbeitete mit ihnen, aß mit ihnen. Doch heute erleben wir, dass kirchliche Räume zu oft ungenutzt bleiben.“
Trotz vorhandener Flächen und Ressourcen fehle es oft am Mut. „Wir scheitern nicht am Geld, sondern an Bedenken“, sagte Hopfenzitz. Eine Kultur des Ausprobierens sei gefragt – auch mit der Bereitschaft, Fehler zuzulassen. „Ich sage meinen Kolleginnen und Kollegen immer: Fangt an. Macht was. Aber wenn Ihr nichts macht und vor allem nichts Neues, dann entwickeln wir uns nicht weiter.“
KMU-Studie
Laut der KMU-Studie von 2023 (Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung) werde sich die Zahl der Christen bis 2040 halbieren. „Auf der anderen Seite zeigt die Studie aber auch, dass Menschen, die sich sozial engagieren, der Kirche stärker verbunden bleiben. Das heißt für uns, KIirche und Caritas zusammenzudenken. Wenn wir als Kirche im Koalitionsvertrag kaum vorkommen – mit nur einem einzigen Satz als Bekenntnis zu Religionsgemeinschaften – dann müssen wir umso mehr vor Ort vorkommen, in den Sorgen und Hoffnungen der Menschen.“
Dominique Hopfenzitz schlug den Bogen zu seinem Lieblingsthema: der Vernetzung zwischen karitativen Trägern, Pfarreien und Ortscaritasverbänden. „Und wenn ich von Vernetzung spreche, dann meine ich alle kirchlichen Träger.“ Er nannte folgendes Beispiel: „Ein katholisches Krankenhaus in der Diözese Münster wurde zur Jubiläumsfeier einer Tafel eingeladen. Erst dort erfuhr man, was der Ortscaritasverband eigentlich leistet – aus der Begegnung entstand eine Kooperation. Heute liefert das Krankenhaus gezielt Lebensmittel für die Tafelkunden. Für die Einrichtung kaum ein Mehraufwand, für die Tafeln aber ein großer Gewinn. Solche Beispiele zeigen, wie wenig wir oft voneinander wissen – und wie viel möglich ist, wenn wir ins Gespräch kommen. Caritas und Kirche ist ein Netzwerk. Kirche und Caritas ist auch eine Gemeinschaft. Aber wir müssen anfangen, beides auch gemeinsam zu denken und zu leben. Und nicht nur auf dem Papier.“ Die kommende Bundesregierung wolle das freiwillige Engagement stärken. „Dann tun wir gut daran, Türen zu öffnen oder offen zu halten in unseren Gemeinden, Einrichtungen, Diensten und unseren Herzen.“
"Wohin die Reise gehen muss"
Der Caritasverband könne nicht ohne eine Anbindung und Rückkopplung an die Kirchengemeinde leben, sagte Hans-Peter Merzbach, Vorstand des Caritasverbandes Ahaus-Vreden, in der sich an die Rede anschließenden Diskussion. „Sonst verlieren wir unsere Identität.“ Dann sei man irgendwann nur noch ein weiterer Wohlfahrtsverband. Er sei dankbar für den Impulsvortrag, sagte Merzbach. „Er beschreibt, wohin die Reise gehen muss.“ Die Perspektive auf 2040 sei dabei ein Weckruf. Auch die Arbeit der Caritasverbände werde sich verändern. „Wir haben in unserem Verband 1800 Mitarbeiterköpfe. Was macht das mit uns, wenn ganz viele Menschen nicht mehr der Kirche angehören? Unser Auftrag ist für alle, das ist ganz klar. Aber wir leben aus einer bestimmten Ausrichtung heraus. Wir brauchen auch Mitarbeiter, die das mittragen, was uns wichtig ist. Wir brauchen Mitarbeiter, die Verständnis für unseren Glauben haben und ihn auch leben.“
Thema Finanzen
Caritas-Vorstand Peter Schwack sprach mit Blick auf die KMU-Studie das Thema Finanzen an. Die Zahl der Gläubigen werde geringer, das werde sich auch auf die Kirchensteuermittel auswirken. Der Caritasverband bekomme einen sechsstelligen Betrag an Bistumszuweisungen, die in die beratenden Dienste gehen. Diese Dienste wären nur mit kommunaler Förderung nicht ausreichend finanziert. „Es gäbe keine Schuldnerberatung, keine Suchtberatung, keine Erziehungsberatung, keine Flüchtlingsberatung. Das sind alles Dienste, die über Bistumsmittel finanziert sind. Das muss man einfach mal deutlich sagen.“