Caritasverband: Die Arbeit der regionalen Flüchtlingsberatung in Gronau:Zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit

Maria Revers ist beim Caritasverband Ahaus-Vreden für die regionale Flüchtlingsberatung zuständig – mit einem halben Stellenanteil in Ahaus und einer Viertelstelle in Gronau. Sie ist Teil des Landesprogramms „Soziale Beratung für Flüchtlinge“. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Annegret Lemken, die die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte betreut, berichtet sie von ihrer Arbeit.
Das Angebot von Maria Revers richtet sich an Geflüchtete, die der Kommune zugewiesen wurden – speziell für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Sie befinden sich noch im Asylverfahren, sind geduldet oder ihr Antrag wurde bereits abgelehnt. Die Zielgruppe ist vielfältig: Familien mit Kindern, alleinstehende Personen, unbegleitete Minderjährige – aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan, Bangladesch oder afrikanischen Staaten. „Also schon sehr verteilt“, wie Revers es beschreibt.
Fragen über Fragen
Die Gespräche drehen sich häufig um ganz praktische Fragen: Was passiert, wenn seit einem Jahr keine Antwort auf den Asylantrag kam? Wie funktioniert der Familiennachzug? Große Sorge macht den Menschen aktuell die durch den Koalitionsvertrag vorgesehene Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberechtigte. Hiervon sind auch viele syrische Familien betroffen, die vielfach schon Jahre auf eine Familienzusammenführung warten. Für die Betroffenen eine persönliche Katastrophe, die Hoffnungslosigkeit ist in der Beratung zu spüren. Auch Drittstaatsangehörige aus der Ukraine sind darunter – Menschen, die in der Ukraine lebten, dort aber keinen dauerhaften Aufenthalt hatten. In Deutschland müssen sie sich nun über Studium, Arbeit oder Ausbildung eine Perspektive aufbauen, erläutert Annegret Lemken. Auch Rückführungen in die ursprünglichen Herkunftsländer drohen.
Die Kontaktwege sind vielfältig. Viele Geflüchtete werden über das Integrationslotsenteam der Stadt Gronau vermittelt – ein Team, das keine rechtliche Beratung leisten darf, aber weiterverweist. Andere erfahren über soziale Dienste, die Stadt oder durch Mundpropaganda von der Beratungsstelle. Eine neue Entwicklung: Auch Arbeitgeber oder Personalabteilungen nehmen zunehmend Kontakt auf, weil sie Hilfe für ihre Mitarbeitenden suchen.
Nicht alle Anliegen lassen sich in einem Gespräch klären. „Wenn jemand beispielsweise Probleme mit der Krankenkasse hat, reicht manchmal ein einmaliger Termin. Andere hingegen kommen wiederholt – weil sich die Probleme nicht lösen lassen oder immer neue auftauchen“, erzählt Maria Revers. In Gronau wurden allein durch die regionale Beratung im Jahr 2024 insgesamt 200 Personen beraten – mit rund 460 einzelnen Beratungen. Aktuell ist Maria Revers immer dienstags vor Ort, was zeitlich knapp, aber derzeit ausreichend erscheint: Termine lassen sich wieder relativ zeitnah vergeben, auch spontane Beratungen sind möglich.
Thema Familiennachzug
Es gibt zahlreiche Schnittmengen zwischen der Flüchtlings- und der Migrationsberatung – etwa beim Thema Familiennachzug. Wer sich seit Längerem in Deutschland aufhält und seine Familie nachholen möchte, steht häufig vor Hürden. Besonders betroffen sind unbegleitete Minderjährige, die bald volljährig werden – mit der Folge, dass der Nachzug der Eltern meist ausgeschlossen ist. „Das sind sehr traurige Gespräche“, sagt Annegret Lemken. Grundsätzlich darf die Migrationsberatung vieles – aber keine Asylverfahrensberatung leisten. Alles rund um das laufende Asylverfahren, Klagen oder fehlende Papiere übernimmt daher Maria Revers. „Für mich gibt es keine illegalen Menschen. Aber die Frage ist: Wie bekommen wir einen legalen Aufenthaltstitel?“, sagt Annegret Lemken. Die Beratungen betreffen nicht ausschließlich juristische Themen. Es geht auch um Sozialleistungen, Familienversicherung, Pflegegeld oder Anträge beim Sozialamt. Wohnraum ist ein Dauerthema – aber aktive Wohnungssuche gehört nicht zum Leistungsspektrum. Möglich ist allerdings Unterstützung bei Fragen zur Wohnsitzauflage oder Umzugsgenehmigungen.
Eines der größten Probleme bleibt der Wohnraummangel. „Es gibt einfach keinen Wohnraum – weder für große noch für kleine Familien“, so Lemken. Viele Menschen, die seit 2015 oder 2016 in Deutschland sind, eine Ausbildung absolviert und Arbeit gefunden haben, finden keine Wohnung. Häufig scheitert der Familiennachzug daran, dass der erforderliche Wohnraum nicht nachgewiesen werden kann – besonders dramatisch bei Vätern oder Müttern, deren Ehepartner und Kinder nachkommen wollen. Die Zeit läuft, aber es fehlen Unterkünfte und Bescheinigungen der Kommunen.
Es vergehen Jahre
Vor allem Personen mit subsidiärem Schutzstatus sind voller Sorge. Oft ist der Erwerb der Staatsangehörigkeit ihre einzige Perspektive. Auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet eine Möglichkeit, doch viele Angehörige fallen nicht unter dessen Voraussetzungen. Die Hoffnung besteht darin, dass die Menschen irgendwann die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten – und damit der Familiennachzug möglich wird. Aber bis dahin vergehen Jahre. Annegret Lemken: „Wir sagen das den Menschen ganz offen: Auch, wenn die Einbürgerung gelingt, reden wir von weiteren zwei bis drei Jahren. Und die Voraussetzungen sind nicht ohne: Die hier lebenden Menschen müssen arbeiten, ein B1-Sprachniveau haben. Ehepartner im Ausland brauchen mindestens A1-Niveau.“
Die Syrer, Iraker und Afghanen machen sich große Sorgen wegen des Familiennachzugs. Die Ukrainer – insbesondere Drittstaatsangehörige – haben Angst, in ihre Herkunftsländer zurückkehren zu müssen, obwohl sie dort seit Jahren nicht mehr gelebt haben. Viele wissen nicht, wie es weitergeht, wie sie sich entscheiden sollen oder was das kommende Jahr an gesetzlichen Änderungen bringt. Gleichzeitig wurden Integrationsangebote abgebaut: Wiederholerkurse im Integrationsbereich sind gestrichen worden. Wer den Kurs in den vorgesehenen sechs Monaten nicht besteht, erhält keine zweite Chance. Diese Menschen landen dann beim Jobcenter – und das kann sie nicht vermitteln, weil Arbeitgeber B1-Kenntnisse fordern.
Ein Teufelskreis. Annegret Lemken: „Ich habe reihenweise Ukrainer, die B1 nicht geschafft haben. Sie sitzen beim Jobcenter fest, ohne Perspektive. Und alle wissen: Wer nicht arbeitet, riskiert den Aufenthaltstitel. Die Gruppe wächst – und alle sehen, dass es nicht weitergeht.“ Man spüre bei vielen Geflüchteten eine tiefe Frustration, berichtet Maria Revers. Annegret Lemken verdeutlicht: „Die Hoffnung war, dass Integration schneller gelingt. Stattdessen stecken sie fest: in Gemeinschaftsunterkünften ohne Wohnraum, ohne Platz im Integrationskurs. Anerkennungsverfahren ziehen sich über Monate – manchmal Jahre.
Komplizierte Materie
Annegret Lemken erzählt von einer Beratung zum Thema Familiennachzug: „Ein Ehemann lebt seit zehn Jahren hier, seine Frau – 45 Jahre alt – und die vier Kinder sind noch im Irak. Und dann beginnt die ganze Litanei: Zunächst der Aufenthaltstitel – was erlaubt der überhaupt? Dann die Familienstruktur: Zwei der Kinder sind 18 und 19 – volljährig, damit ist der Nachzug meist ausgeschlossen. Beim 15-jährigen Kind wird es schwierig – wenn es nicht schnell geht, wird auch hier ein C1-Sprachnachweis nötig, weil es bald über 16 ist. Aber C1? Damit kann man studieren. Die Tochter will vielleicht später promovieren – dann könnte sie eventuell über Fachkräftezuwanderung kommen. Ich habe zwei Merkblätter mitgegeben und gesagt: „Schauen Sie sich die Seite in Ruhe an, sprechen Sie mit Ihrer Familie. Aber selbst ich werde nervös, wenn ich versuche, mich auf diesen Seiten zurechtzufinden: Fachkräfteeinwanderung, Studium, Ausbildung, Hochqualifizierte – wo steht was?“
Maria Revers: „Gut, dass man im Team ist. Man fragt sich oft, wie man all das allein bewältigen soll. Die Fälle ähneln sich, aber jedes Mal sitzt man wieder da und ringt um Lösungen.“ Sie berichtet von einem Jugendlichen, der bald volljährig wird: „Er kam als Minderjähriger mit einem Verwandten nach Deutschland – mit der Hoffnung, seine Eltern nachholen zu können. Jetzt wird er 18 – das bedeutet: keine Chance mehr auf Familiennachzug. Wir haben viele junge Männer, die mit Onkeln oder Tanten gekommen sind – jahrelang in der Hoffnung, dass ihre Eltern folgen. Doch nun kippt das. Sie sind jahrelang hier, ihnen läuft die Zeit davon, und dann heißt es plötzlich: Es war alles umsonst. Manche wussten es eigentlich – dass Eltern von Erwachsenen kaum noch nachkommen können. Trotzdem stellen sie Anträge, buchen Termine. Und selbst wenn alle Beamten "schlafen" würden – es ist einfach nicht vorgesehen.“ In vielen Beratungen habe man das Gefühl, man müsse vor allem erklären, was nicht gehe, macht Maria Revers deutlich. „Die Menschen kommen mit Hoffnung – und gehen mit Ernüchterung. Der Normalfall ist heute: Es geht nicht. Und es wird schwierig.“
Härtefälle und ein Glücksfall
Trotzdem hoffen die Menschen auf ein kleines Schlupfloch – einen Härtefall, in dem etwas geht. Annegret Lemken: „Wir arbeiten seit 2024 mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz- Die Hoffnung ist, dass es zumindest bei manchen Härtefällen greift.“ Was ist mit der älteren, türkischen Frau, Analphabetin – schafft sie es? Nicht alle haben Sprachkurse bestanden. Viele haben Angst, was das nächste Jahr bringt. „Neulich kam eine Frau, die sagte: „Ich bekomme eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.“ Sie hatte Glück: als jüdische Ukrainerin fiel sie unter § 23, Absatz 2 Aufenthaltsgesetz. Sie konnte vom temporären Schutzstatus in eine unbefristete Niederlassungserlaubnis übergehen. Und sie sagte: „Ich bin 60, aber ich möchte arbeiten. Ich möchte weiter Deutsch lernen. Ich will mich nicht nur in der russischsprachigen Community bewegen.“ Das war so ein seltener Glücksfall.